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New Work und Arbeitsrecht — Mit Kathrin Hartmann und Nils Schnell –

Wie hängt eigentlich New Work und Arbeitsrecht zusammen? Hemmt oder unterstützt Arbeitsrecht die New Work Ansätze in Unternehmen? Was gibt es zu beachten und wie kann New Work erfolgreich gelebt und im Unternehmen einen Mehrwert bringen?

Darum geht es im Gespräch zwischen Kathrin Hartmann und Nils Schnell. Es werden Herausforderungen diskutiert, und wo das Recht hilfreich sein kann. Das ganze Gespräch könnt ihr euch hier ansehen. Eine sprachlich leicht angepasste Textfassung des Gesprächs findet ihr am Ende des Artikels.


Und das sind die Kernaussagen des Gesprächs von Nils und Kathrin:

  • Bei New Work geht es darum, dass Arbeit uns stärken soll. Wir sollten uns gesellschaftlich, unternehmerisch, aber auch im Team immer wieder Gedanken dazu machen, wie wir Arbeit gestalten können. Das Sinnstiftende sollte immer über dem noch mehr Geld stehen.
  • Es ist wichtiger, sinnvolle Arbeiten in den Mittelpunkt zu stellen, als starre Regelwerke, die uns in der Arbeit und der Freiheit der Arbeit einschränken. Aber auch sinnvolles Arbeiten hat und braucht einen rechtlichen Rahmen. Alle New Work Themen haben einen Bezug zum Arbeitsrecht.
  • Das Arbeitsrecht ist Recht aus der alten Welt. Es liegt an Anwälten und Beratern eine Veränderung im Arbeitsrecht herbeizuführen, indem anders gestaltet, mit anderen Themen auseinandergesetzt sowie rechtlich durchleuchtet und bei den Grauzonen klarer kommuniziert wird: traut euch.
  • Ziel ist, dass das Arbeitsrecht nicht nur schützt, sondern auch in der Veränderung unterstützt. Daher sollte sich das Arbeitsrecht immer dem Sinn der Arbeit anpassen und nicht andersrum. Das gelingt, indem der Fokus darauf gelegt wird, wie wir gute Arbeit gestalten und wie wir konkret arbeiten wollen. Das Arbeitsrecht darf nicht wie ein Karton pauschal drüber gestülpt werden, sondern ist auf die individuellen Bedürfnisse drum herum zu gestalten.
  • Zur Umsetzung von New Work bedarf es einer Reflektion des Ist- Zustands incl. der Bedürfnisse, Wünsche und Ideen. Hierfür bedarf es Zeit. Und es bedarf einer ordentlichen Portion Mut hinzusehen mit dem Verständnis, dass alles verändert werden darf, was nicht den Kernwerten entspricht.
  • Wissen über die Rechtslage und Möglichkeiten der rechtlichen Umsetzung (Befähigung und Aufklärung) können dabei unterstützen mutiger zu sein und somit ins Handeln zu kommen. So kann Recht Ermöglicher statt Verhinderer sein und Veränderung unterstützen.
  • Arbeitsrecht unterstützt auch, indem neben der Freiheit und der Selbstorganisation Leitplanken geboten werden, damit der Einzelne die Sicherheit hat, Entscheidungen richtig zu treffen. Außerdem ist Unternehmen und damit auch den Mitarbeitenden sehr geholfen, wenn sie transparent mit Gesetzen umgehen.
  • Da Recht insbesondere für Laien kompliziert ist, kann dies durch Transparenz und Kommunikation aufgelöst werden. Dabei hilft, auf die konkreten Bedürfnisse runtergebrochen zu fragen, was brauchst du um dich sicher zu fühlen?
  • Insgesamt muss sich Arbeitsrecht noch mehr und vor allem schneller an die gesellschaftlichen Veränderungen anpassen. Im status quo können wir mehr tun, wenn Berater und die Unternehmen mutiger werden und nach Lösungen suchen, anstatt Risiken zu sehen. Auch der Einzelne und die Gesellschaft dürfen mutiger werden in die Veränderung einzutreten und einzufordern was zum guten Arbeiten gebraucht wird. Es braucht daher ganz vieler mutiger Menschen, die sagen, ich habe eine Idee davon, wie ich arbeiten möchte und was gut für mich ist.
  • Mutig wird man, indem man sich die Zeit nimmt, mit sich selber zu klären, was ich wirklich wirklich will. Nach der Selbstklärung gilt es die Selbstwirksamkeit zu aktivieren und ins Tun zu kommen.
  • Veränderung braucht mehr Aufwand, als dort zu bleiben, wo man gerade ist. Aber es lohnt sich, weil man in die Richtung aufbricht, die man eigentlich wirklich will.

Daher: Lasst uns aktiv werden, lasst uns mutig sein und für uns selber klären, was wollen wir eigentlich wirklich um dann ins Handeln, ins Tun zu kommen.

Das sind die Gesprächsteilnehmer:

Nils Schnell ist von MOWOMIND. MOWOMIND ist eine Modern Work Agentur mit Sitz in Hamburg und in der Welt zuhause. Nils und Anna ermöglichen mit M‍OWOMIND Menschen sinnstiftend zu arbeiten und Wissen intern in Unternehmen zu vernetzen und auszutauschen. Durch Vorträge inspirieren sie zu New Work, durch Trainings implementieren sie moderne Formate und durch Coaching und #RemoteCoaching unterstützen sie deine Weiterentwicklung! Alle Informationen zu Nils und MOWOMIND findest du hier: https://www.mowomind.com/

Folge Mowomind auf:

Kathrin Hartmann ist Rechtsanwältin mit einem Faible fürs Arbeitsrecht und New Work. Culture your System bringt arbeitsrechtliche Fachexpertise mit den Vorstellungen der New-Work-Bewegung in arbeitsrechtlicher Beratung und Gestaltung sowie in Workshops und bei Vorträgen zusammen. Alle Informationen zu Kathrin und Culture your System findest du hier –  https://cultureyoursystem.de/

Folge Kathrin auf:

Und darum geht’s beim nächsten Gespräch:

Beim nächsten Gespräch beleuchten Nils Schnell und Kathrin Hartmann hybrides Arbeiten. Wie kann hybrides Arbeiten praktisch und rechtlich umgesetzt werden? An was sollte man unbedingt denken um hybrides Arbeiten langfristig und wirksam umzusetzen? Und wieviel Flexibilität und Freiheit ist eigentlich möglich und sinnvoll?

New Work und Arbeitsrecht – das Gespräch von Kathrin Hartmann und Nils Schnell in voller Länge

Und das ist die sprachlich leicht angepasste Textfassung des Gesprächs New Work und Arbeitsrecht mit Kathrin Hartmann und Nils Schnell:

Was ist New Work und moderne Arbeit? – Min. 00:51

KATHRIN HARMTANN: Du und Anna, ihr seid für mich die New Work Experten. Ihr ward auf Modern Work Tour, eurer modernen Walz, und habt euch ganz intensiv mit der Frage beschäftigt, was New Work und moderne Arbeit eigentlich ist. Kannst du uns dazu einleitend was sagen?

NILS SCHNELL: Der New Work Ansatz kommt ursprünglich von Frithjof Bergmann und es geht im Kern darum, dass Arbeit uns grundsätzlich stärken soll. Das heißt es geht immer darum zu schauen, wie können wir eigentlich im Arbeitskontext dafür sorgen, dass es Menschen gut geht in der Arbeit. Und dass sie nicht das Wochenende brauchen um sich zu erholen, weil sie total ausgelaugt sind. Das bedeutet, dass wir uns gesellschaftlich, unternehmerisch aber auch im Team immer wieder Gedanken dazu machen sollten, wie wir Arbeit gestalten können. Und was Frithjof Bergmann immer wieder gesagt hat, ist: es geht darum, was wir wirklich, wirklich wollen. Und das bedeutet eben nicht, dass alles immer toll ist. Es geht eher darum, dass so im Großen und Ganzen man den Eindruck hat, man kann einen sinnstiftenden Beitrag leisten und man kann sich durch die Arbeit stärken und weiterentwickeln und eben nicht schwächen und mit der Zeit irgendwie davon kaputt gehen.

Hat New Work einen Bezug zum Arbeitsrecht? – Min. 2:05

KATHRIN HARTMANN: Und hast du das Gefühl, dass es in eurer Arbeit auch manchmal einen Bezug zum Arbeitsrecht gibt?

NILS SCHNELL: Also was wir immer wieder merken ist, wenn Unternehmen sich moderner aufstellen wollen, dass diese dann natürlich auch überlegen müssen, wie können wir das eigentlich tatsächlich tun und was sind die Rahmungen dazu. Klar ist, dass gerade auch junge Menschen gerne anders arbeiten wollen. Die wollen mehr Freiheit haben, die wollen mehr Verantwortung tragen. Da ist natürlich klar, dass es hierfür möglichst viele Freiräume geben sollte. Trotzdem ist es natürlich auch wichtig, dass man als Unternehmen irgendwie auf der sicheren Seite steht und das ist auch der Grund, warum wir heute sprechen, weil du da ja total gute und spannende Impulse dazu hast, weil das dein Hauptthema ist. Insofern ja, wir haben da immer wieder Kontakt.

Ich finde immer wieder spannend zu gucken, ob Unternehmen eher sehr ängstlich sind mit New Work und möglichst safe im sicheren Rahmen bleiben oder ob sie eher progressiv sagen, ok wir dehnen das ein bisschen aus und gucken auch mal, wo sind eigentlich die Entwicklungsbereiche, die Grauzonen. Insofern bin ich auch ganz gespannt, was du dazu sagen wirst.

Insgesamt glaube ich, dass es wichtig ist, dieses sinnvolle Arbeiten in den Mittelpunkt zu stellen und das immer wichtiger sein sollte, als starre Regelwerke, die uns in der Arbeit und der Freiheit der Arbeit einschränken. Was denkst du?

KATHRIN HARTMANN: Ich glaube, du hast ganz ganz ganz wichtige und wesentliche Dinge gesagt, die ich absolut teile und unterstreichen möchte. Rechtlich ist es ja so, dass auch sinnvolles Arbeiten einen Rahmen braucht. Davon hast ja auch du schon gesprochen. Und am Ende des Tages, wenn man es auf den Kern runterbricht, ist da immer eine Rechtsbeziehung: zwischen Gesellschaftern oder zwischen Mitarbeitenden und dem Arbeitgeber. Und selbst wenn ich nichts regel, regel ich ja was. Nämlich ich regel, dass ich nichts regel.

Ich versuche immer deutlich zu machen, und das ist vielleicht auch wichtig mal zu reflektieren: Es gibt zwei wichtige Dinge. Das eine ist das zwingende Recht, das auf diese Rechtsbeziehung einwirkt und das man kennen sollte und das man auch beachten muss. Und dann gibt’s aber auch ganz viel Gestaltungsspielraum.

Und so kann ich zum Beispiel gestalten, dass ich eben nichts regel. Aber dann sollte ich wissen – und das gibt den Unternehmen dann auch Rechtssicherheit – was bedeutet das denn, dass ich nichts regel. Also wenn ich zum Beispiel Arbeiten überall auf der Welt ermögliche, dann muss ich wissen, dass ich dann nichts geregelt habe im Hinblick auf den Arbeitsort; aber dass ich dann möglicherweise Auswirkungen auf die Sozialversicherungspflicht, Steuer oder ähnliches habe. Und genau so ist das auch bei anderen Themen. Alle New Work Themen haben immer einen Bezug zum Arbeitsrecht: New Pay, Flexibilität bei der Arbeitszeit… Also alles, diese komplette Rechtsbeziehung ist immer Arbeitsrecht. Von daher ist das irgendwie immer Thema.

Hat sich das Arbeitsrecht in Richtung New Work entwickelt? – Min. 05:36

NILS SCHNELL: Was würdest du so grundsätzlich sagen: Inwiefern hat sich das Arbeitsrecht bereits in Richtung New Work, modernes Arbeiten entwickelt und sich dem ein bisschen angepasst? Weil das gibt’s ja nicht erst seit gestern – durch Corona garantiert beschleunigt mit so nem Turbo – aber moderne Arbeitsweise gibt es ja schon ein bisschen länger. Wo steht da gerade das Arbeitsrecht?

KATHRIN HARTANN: Arbeitsrecht ist Recht aus der alten Welt. Arbeitsrecht geht von einem Über- Unterordnungsverhältnis aus zwischen dem Arbeitgeber und Mitarbeitenden. Der ist persönlich abhängig vom Arbeitgeber, kriegt von dem sein Geld und macht deswegen was er sagt. Deswegen bedarf es ganz vieler Schutzrechte um den – ich sag manchmal schon „nicht mündig“ aber das ist fast schon ein bisschen übertrieben dargestellt –  aber den nicht in der gleichen Verhandlungsposition befindenden Mitarbeitenden zu schützen. Das ist die große Herausforderung; dass dieses Grundverständnis vom Arbeitsrecht überhaupt nichts mit den Werten, die hinter New Work von Frithjof Bergmann stehen – Freiheit, Selbstständigkeit, Teilhabe – das hat damit einfach nichts zu tun.

Der Gesetzgeber versucht erste Arbeitsbedingungen zu regeln, zum Beispiel der Anspruch auf Home Office, der soll kommen. Aber auch da regelt der Gesetzgeber jetzt einen Anspruch. Also ob das so viel mit Freiheit und dem Gefühl, dass ich als Mitarbeitender ja selber auch für meine Ideen und sinnstiftendes Arbeiten eintreten kann, zu tun hat, das kann man jetzt so oder so sehen. Daher liegt es im Moment eher an uns Anwälten und Beratern da eine Veränderung im Arbeitsrecht herbeizuführen, indem wir anders gestalten, uns mit anderen Themen auseinandersetzen, die rechtlich durchleuchten und vielleicht bei den Grauzonen auch klarer kommunizieren: traut euch.

Kann sich Arbeitsrecht dem Sinn der Arbeit anpassen? – Min. 7:56

NILS SCHNELL: Ich glaub, es gibt verschiedene Bereiche des Lebens und Arbeitens, wo man den Eindruck hat, da sind wir noch im letzten Jahrtausend so ein bisschen stecken geblieben und das Arbeitsrecht kommt gar nicht so richtig hinterher. Vielleicht liegt es an Bequemlichkeit, keine Ahnung. Mir ist wichtig: Das Arbeitsrecht sollte sich immer dem Sinn der Arbeit, dem Sinn des Arbeitens anpassen und nicht andersrum. Das man einfach so ein Arbeitsrecht da hinstellt und dann muss man irgendwie gucken, wie können wir unsere Arbeit drum herumgestalten, finde ich weniger gut, als zu sagen, wir wollen unsere Arbeit so gut wie möglich gestalten; natürlich mit dem Fokus auf die Menschen, auf die Umwelt, dass es uns gut geht auch vielleicht mit den Sustainable Development Goals, die ja auch echt wichtig sind. Das der Fokus darauf liegt, wie können wir gute Arbeit gestalten und nicht, wie können wir so einen rechtlichen Karton bauen und da muss da irgendwie Arbeit reingequetscht werden.

KATHRIN HARTMANN: Deswegen ist es glaub ich auch total wichtig: Es geht nicht darum Arbeitsrecht auf ein Unternehmen drauf zu stülpen, sondern das Unternehmen muss für sich und die Mitarbeitenden müssen für sich rausfinden: Wie wollen wir arbeiten? Und dann gucken wir, wie wir das Recht drum herum bauen. Und wie kriegen wir das so erfüllt, dass das was ihr euch vorstellt, tatsächlich dann auch gemacht werden kann. Und das ist auch ganz oft der Knackpunkt bei mir in der Beratung: Ich sag den Unternehmen ja nicht, wie sie arbeiten sollen. Oder was moderne Arbeit ist. In der Regel kommen meine Mandanten zu mir und sagen hey, wir haben folgende Idee: wie setzen wir das um?

Wie setzt man New Work um? – Min. 09:43

KATHRIN HARTMANN: Und deswegen jetzt Nils an dich als Experten die Frage: Wie wird man denn nun ein modernes Unternehmen? Wie kann man New Work tatsächlich umsetzen?

NILS SCHNELL: Das ist natürlich eine riesige Frage mit der wir uns schon lange beschäftigen und wo es natürlich auch sehr viele Antworten gibt. Ich versuche mich mal kurz zu fassen: Moderne Arbeitsweise bedeutet für mich und uns, dass man bestimmten Prinzipien moderner Arbeit folgt um die Arbeit so gut wie möglich und so sinnstiftend wie möglich zu gestalten. Konkret heißt das, man guckt, wie ist der status quo gerade. Das heißt man schaut, was ist unser Ist- Zustand und was sind die Bedürfnisse, die Wünsche und auch die ganzen Ideen, die wir so haben. Immer mit der Idee, dass nicht das Top-Management sagt, ok wir haben Plan 365 und den setzen wir jetzt um. Sondern es geht vielmehr darum zu gucken, wie kann man die ganzen Menschen mit ihrem Wissen, mit ihrer Erfahrung einbinden um möglichst sinnstiftende Arbeit zu ermöglichen in Bezug auf Arbeitsweisen, also wie wir miteinander arbeiten. Und natürlich im besten Falle auch auf den Inhalt der Arbeit, das man guckt, sind die Produkte, die Dienstleistung, die wir machen, sind die eigentlich zeitgemäß oder haben wir schon wieder viel bessere Ideen, aber eben noch gar nicht den Raum um diese umzusetzen, zu entwickeln. Und ich glaub, dazu braucht es echt eine ordentliche Portion Mut, tatsächlich auch zu sagen, wir gehen das jetzt an, wir gucken uns das an und alles darf verändert werden, was nicht unseren Kernwerten entspricht. Ich glaube, es ist immer gut und immer wichtig zu gucken, was macht uns eigentlich im Kern aus, was ist unsere Identität und das auch zu bewahren. Aber eben das dann mit neuem Schwung zu füllen, damit dann zum Beispiel junge Menschen Lust haben ins Unternehmen zu kommen und ältere Menschen auch weiter Lust haben dort zu arbeiten.

Und mein Eindruck ist, dass eben diese Reflektion über den status quo extrem wichtig ist, weil es darum geht, sich tatsächlich mal die Zeit zu nehmen. Ich sag bei meinen Kunden immer: Lass uns mal zusammen rauszoomen und uns einfach mal angucken: was passiert hier gerade, wie lange läuft das schon, wie es läuft und was sind eigentlich Dinge, die wir anpassen können, anpassen müssen? Und das ist sowohl inhaltlich als auch gerade mit veränderten Arbeitsbedingungen dann auch die rechtliche Rahmung interessanterweise, weil am Ende geht’s darum, dass ein Unternehmen weiterhin auch erfolgreich sein sollte. Aber, und das ist unsere Ansicht im New Work und Modern Work, das Sinnstiftende sollte immer über dem noch mehr Geld stehen. Weil am Ende des Tages sind wir alle Menschen, die unser Leben leben. Und ich glaube, ein gutes Leben gelebt zu haben – und Arbeit ist ja nunmal ein großer Teil davon – sollte einfach immer über allem anderen stehen. Weil es das ist, was uns schlussendlich glücklich und zufrieden macht und natürlich auch im Leben stärkt.

Wie kann Arbeitsrecht eine spürbare Unterstützung bieten? – Min. 12:54

NILS SCHNELL: Und da ist man natürlich auch sehr schnell bei dem Punkt, wie geht das eigentlich rechtlich und was sind da die Möglichkeiten. Und das merken wir auch immer wieder, da werden Unternehmen unsicher. Insofern, kannst du noch so eins, zwei Sätze dazu sagen, wie das mit den arbeitsrechtlichen Rahmungen eigentlich ist für Mitarbeitende und inwiefern diese tatsächlich eine spürbare Unterstützung bieten können. Weil am Ende möchte ich mir ja auch sicher sein, dass das arbeitsrechtlich in Ordnung ist, was ich tue. Und, ich finde für die Mitarbeitenden, die dürfen, die müssen das natürlich spüren können, dass da was anders ist, dass man sich sicherer fühlt. Insofern, was würdest du sagen?

KATHRIN HARTMANN: Rechtstreue ist ein total hohes Gut, finde ich. Und wenn ich über Transparenz spreche, dann geht’s aus meiner Sicht auch um Transparenz im Hinblick auf die Fragestellung: halten wir als Unternehmen die geltenden Gesetze ein? Jetzt kann ich natürlich darüber diskutieren, ob das Arbeitszeitgesetz zum Beispiel zu 100 Prozent noch der Zeit entspricht. Aber es ist halt da. Und es dient einem gewissen Schutz. Es dient dem Schutz vor Überforderung. Und natürlich haben wir die Hoffnung oder das hohe Ansinnen, dass wenn ich sinnstiftende Arbeit habe und Arbeit, die wir wirklich, wirklich wollen, dass ich diesen Schutz von außen nicht brauche. Aber dann ist er ja im Umkehrschluss auch nicht verkehrt. Und deswegen ist es aus meiner Sicht so, dass die Arbeitsgesetze da grundsätzlichen Schutz bieten, den wir auch nicht wegdiskutieren können. Und den Unternehmen und damit auch den Mitarbeitenden ist sehr geholfen, wenn sie transparent mit Gesetzen umgehen. Und sich auch bewusst sind, was bedeutet das eigentlich und was regelt denn das Gesetz im Hinblick auf Datenschutz, Arbeitszeitgesetz, Geschäftsgeheimnisgesetz etc.

Und das führt mich zu einem weiteren Gedanken. Ich glaube, dass ich nur dann sinnvoll selbstständig und frei arbeiten kann, wenn ich genau diese Leitplanken habe. Ich hab Jura studiert, das ist eine Ausbildung, die dauert Ewigkeiten. Das kann man logischerweise Führungskräften und Mitarbeitenden überhaupt nicht zumuten sich da so zu bewegen, wie man das nach so einer langen Ausbildung kann. Von daher halte ich es für total wichtig neben der Freiheit und der Selbstorganisation Leitplanken zu bieten, damit der Einzelne wirklich die Sicherheit hat, Entscheidungen auch richtig zu treffen.

Und wenn wir uns Fragestellungen mal juristisch angucken, gerade bei der Implementierung von New Work Ideen, kann man häufig auch Sorgen nehmen. Weil wenn man ein neues Arbeitsmodell, eine neue Arbeitsmethode mal juristisch durchdekliniert oder Führungskräfte, Geschäftsführer, die irgendwelche Vorbehalte haben, entsprechende Sorgen mal äußern und man dann mal versucht, das auf der juristischen Eben zu lösen, kommt man dann doch ganz häufig auf das Gespür: ums Juristische geht’s irgendwie vielleicht doch gar nicht. Da sind doch eher die Themen Vertrauen oder andere Themen, die viel größer sind und von höherer Relevanz. So dass eure Expertise viel mehr gefragt ist und es gar nicht so sehr um das Juristische manchmal geht.

Kann Arbeitsrecht für Laien verständlich gemacht werden? – Min. 17:25

NILS SCHNELL: Ja, finde ich total spannend. Gerade auch im Hinblick darauf, dass dieses juristische Wissen die Grundfrage ist um mehr Freiheit geben zu können, gleichzeitig aber sehr schnell sehr kompliziert wird, dass Laien eigentlich gar keine Ahnung haben, wie man damit umgeht. Das heißt, man braucht ja eigentlich immer ein Runterbrechen dieser Kompliziertheit hin zu was ganz Simplen, Einfachen. Und das ist aber wahrscheinlich wiederum nicht immer so einfach zu geben, kann ich mir vorstellen.

KATHRIN HARTMANN: Es ist tatsächlich nicht so einfach, weil dafür ist die Welt zu komplex und auch das Recht zu komplex. Und jetzt könnte ich natürlich schauen, können wir unser Arbeitsrecht komplett umstrukturieren und nur mit Oberbegriffen oder so arbeiten. Ich weiß aber nicht, ob es das so viel leichter macht. Mit unbestimmten Rechtsbegriffen wissen Laien ja noch weniger anzufangen. Und von daher ist mein Ansatz oder mein Gedanke: Transparenz, Kommunikation und tatsächlich auf die konkreten Bedürfnisse runtergebrochen zu schauen, was brauchst du um dich sicher zu fühlen? Und ich glaube, da kann man schon Leitplanken bieten, dass der Einzelne Freiheit hat aber auch das Gefühl hat, ok ich verstehe was Grenzen sind, was der Hintergrund ist; auf uns zugeschnitten.

NILS SCHNELL: Ich weiß nicht, ob du das schon mal gesehen hast: es gibt so eine Gegenüberstellung von zwei Flugtickets. Einmal so ein Flugticket, wie es heute ist und einmal ein Flugticket wie man es gut gestalten könnte, dass jede Person sofort sieht: wo ist das Gate, wie lang ist der Flug, von wo nach wo geht es. Also einfach ne gute Übersicht bringen. Und ich glaub einer der Möglichkeiten, wenn man dich mit dazu nimmt zu einem bestimmten New Work Projekt, ist ja eben genau an bestimmten Punkten das einfach mal gemeinsam runterbrechen zu können um eben genau dieses Wissen zu haben, was Sorgen nehmen kann um dann tatsächlich weitermachen zu können. Weil es immer schwierig ist, wenn man in so einem Graubereich bleibt, wo man sich selber unsicher ist, weil man dann natürlich auch nicht so richtig in die Proaktivität gehen kann und will logischerweise. Das heißt da einfach genau diesen Rückschluss machen zu können oder auch diese Vergewisserung machen zu können, ist extrem wichtig.

Grundsätzlich würde ich aber auch noch ergänzen wollen. Mein Eindruck ist, dass Arbeitsrecht sich noch mehr und vor allem noch schneller diesen gesellschaftlichen Veränderungen anpassen muss. Dass da einfach mehr Tempo rein muss. Und ich glaub auch, dass das ja tatsächlich was Neueres ist aus den letzten Jahrzehnten, weil sich davor die Dinge einfach langsamer entwickelt haben und jetzt mit Digitalisierung und einer Hyperglobalisierung einfach alles viel schneller verändert.

Wie kann Arbeitsrecht mutiger werden? – Min 20:28

NILS SCHNELL: Insofern auch die Frage an dich nochmal: Muss Arbeitsrecht hier mutiger werden, schneller werden? Und wenn ja, hast du irgendeine Idee, wie das eigentlich gelingen kann?

KATHRIN HARTMANN: Also erstmal ja, definitiv. Das Arbeitsrecht muss mutiger und schneller werden. Ich bin mir nur nicht sicher, ob diejenigen, die da tatsächlich am Meisten rein können, nämlich die Politiker, so weit sind oder sich das trauen. Ich glaube aber, dass wir auch bereits im status quo schon viel mehr tun können und viel mehr gestalten können, wenn wir Berater und die Unternehmen mutiger werden und nach Lösungen suchen, anstatt die Risiken zu sehen. Und von daher glaube ich, dass man grundsätzlich in dem Recht, wie wir es haben, schon mehr machen kann, wenn man das möchte. Das ist so der eine Gedanke von mir dazu. Und der andere ist: auch ich als Einzelner kann etwas tun. Nämlich ich kann als Mitarbeitender auch wieder mündiger werden. Also ich bin dafür verantwortlich, dass ich dieses – wir hatten eingangs darüber gesprochen, dass das Arbeitsrecht von diesem Über-Unterordnungsverhältnis ausgeht – Verständnis, und auch wir als Gesellschaft sind dafür verantwortlich, zu zeigen, dass sich das doch verändert hat. Und wenn ich hybrides Arbeiten für mich brauche, weil das zu meinem Lebenskonzept, für mich zu sinnstiftender Arbeit gehört, dann kann ich natürlich in einer alten Welt sagen, mein Arbeitgeber macht das aber nicht. Oder ich sage, Politik, macht doch bitte einen Anspruch draus. Ich kann aber auch mit meinem Unternehmen sprechen und sagen: Wir wollen doch sinnstiftend arbeiten, wollen wir nicht was verändern? Und wenn das Unternehmen da nicht mitgeht, warum geh ich nicht? Natürlich hat das auch Folgen, das ist völlig klar. Aber ich glaube, wir dürfen mutiger werden, das, was wir zum guten Arbeiten brauchen, auch einzufordern und da in eine Veränderung einzutreten.

Und dazu gehört auch zu zeigen, dass es bestimmter Schutzrechte gar nicht bedarf, weil ich als Einzelner super in der Lage bin, gut für mich zu sorgen. Ich brauche kein Gesetz oder das System, das mir erklärt, welche Ruhezeiten ich brauche, weil ich dazu in der Lage bin, selber gut für mich zu sorgen. Aber ganz ehrlich, das ist gar nicht so einfach: Und ich weiß das ja von mir selber, in verschiedenen Perspektiven: Als Angestellte, als Selbstständige. Das ist nicht einfach für sich gut zu sorgen. Von daher glaube ich aber, dass wir, der Einzelne, aber auch die Gesellschaft ganz viel tun können. Nämlich wenn jeder für sich besser auf sich achtet, wir aufeinander besser achten und so insgesamt eine Veränderungswelle beginnen lassen, die die Gesellschaft verändert und dann vielleicht auch in die Politik mit reinwirkt. Und ich glaube dazu braucht es ganz vieler mutiger Menschen, die sagen, ich habe eine Idee davon, wie ich arbeiten möchte und was gut für mich ist. Und was aber damit auch einen Mehrwert, einen Sinn für die Welt gibt. Und ich stehe dafür ein.

Was braucht es um mutig zu sein? – Min. 24:26

KATHRIN HARTMANN: Das ist definitiv nicht einfach und führt auch zu der großen Frage, was braucht es um als Unternehmen oder als Einzelner mutig zu sein?

NILS SCHNELL: Ich kenne das sehr gut sowohl von uns in unserer Arbeit, weil wir ja auch immer wieder ein paar Dinge machen, die sehr ungewöhnlich sind und auch von vielen Leuten hören, seid ihr bescheuert, warum tut ihr das. Sowas wie auf unsere Modern Work Tour, unsere Moderne Walz, zu ziehen. Ich habe zwei Begrifflichkeiten aus der gfK, die ich da ganz wunderbar für finde, das für sich herauszufinden. Und zwar ist das einmal der Begriff der Selbstklärung, sich die Zeit zu nehmen, mit sich selber zu klären, was ich wirklich wirklich will. Was ja auch bedeutet, ich brauche ein bisschen Zeit dafür. Weil ohne Zeit zur Reflektion bin ich nur im Machen und Tun und in meinen normalen Arbeitsroutinen etc. D.h. dieses Zurücktreten ist unglaublich wichtig. Und nach dieser Selbstklärung dann aber auch in den Selbstausdruck gehen. D.h. meine Selbstwirksamkeit zu aktivieren, ins Tun kommen. Das ist was, wo man sicherlich auch Unsicherheiten spürt. Wenn man zum Beispiel etwas ändert, dann gibt’s immer etwas Neues und was Neues ist natürlich auch ein bisschen beängstigend, besorgniserregend.

D.h. in dieser Selbstklärung diese Klarheit zu bekommen um eben wirklich in dieses Tun kommen zu können und mehr Sicherheit zu haben, selbst wenn noch nicht klar ist, wie sich alles ergeben wird. Und da merke ich auch immer im Umgang mit Kunden, die wir begleiten, wenn die die beiden Schritte gehen, dass sie mehr Selbstvertrauen haben und auch mit einer anderen Stärke ins Ungewisse gehen. Weil Veränderung immer kleine Mehraufwendungen an Kraft und Energie brauchen. Und sich aber Veränderungen, das ist so meine Erfahrung, in der Regel absolut lohnen, weil man ja eben dort hin geht oder in die Richtung aufbricht, die man eigentlich wirklich will, es aber nur mehr Aufwand braucht als dort zu bleiben, wo ich gerade bin.

Abschlussstatement – Min. 26:42

Deswegen ist so dieser tritt in den Hintern bei sich selber glaub ich richtig gut, damit wir uns tatsächlich weiter entwickeln und nicht nach 10 Jahren merken: ich finde es hier immer noch nicht gut und ich bin trotzdem immer noch da. Ich glaube dafür ist das Leben einfach zu schade und zu kurz, dass einem so was passieren sollte. Dementsprechend immer dieser Rat: Lass uns aktiv werden, lass uns mutig sein und für uns selber im ersten Schritt klären, was wollen wir eigentlich wirklich um dann quasi ins Handeln, ins Tun zu kommen.

KATHRIN HARTMANN: Nils, ich hab das Gefühl, das war ein hervorragendes Abschlussstatement. Ich finde das ganz beeindruckend. Es geht ganz viel um Sinn, die eigene Reflektion, aber auch Mut und dabei hilft, wenn ich einen Rahmen habe, der mir einen sicheren Boden gibt. Wo Recht nicht immer ein Verhinderer sein muss – weil das denken viele New Workler irgendwie immer, Recht ist nur Verhinderer – sondern Recht kann gerade auch Ermöglicher sein, indem man Sorgen und Ängste auflöst und den Rahmen dafür gibt, wie man sinnstiftend arbeiten kann. Deswegen finde ich das total cool, dass wir diese Gesprächsreihe miteinander machen um gemeinsam Themen zu beleuchten. Weil das ist mir jetzt heute auch nochmal so richtig klar geworden: der ganzheitliche Aspekt und Ansatz ist einfach der richtige.

NILS SCHNELL: Ich stimme dir da voll zu und was ich auch nochmal mitnehme von dem was du gesagt hast: Wissen rund um Rahmenbedingungen kann Sorgen nehmen und einen tatsächlich dazu befähigen einfach auch noch mutiger zu werden. Wenn ich die Grauzonen im Kopf, wo ich einfach nicht sicher bin, geklärt habe und da Klarheit habe, kann das einfacher sein, egal jetzt ob als Unternehmen oder als Einzelperson, in Aktion zu gehen. Das finde ich auch richtig gut und hat mir nochmal viel gebracht das nochmal in dieser Klarheit zu hören und nochmal mitzunehmen. Weil das finde ich echt einen ganz tollen sehr positiven Effekt den das Arbeitsrecht haben kann. Und das ist das Ziel: dass das Arbeitsrecht nicht nur schützt, sondern auch unterstützt in Veränderung.


Wie ist deine Meinung? Wünsche, Anregungen, Inspirationen zum Thema? Ich freue mich auf Deinen Kontakt. Und damit Du nichts verpasst, kannst du dich einfach beim Culture your System Newsletter anmelden.


Kathrin Hartmann

Rechtsanwältin / Culture your System


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