Welche Impulse setzt ein Themen-Monat? Und unter welchem Motto steht der erste Themen-Monat von Culture your System?
Der Sturm
Sie kennen das: Eine Neuigkeit versetzt Alle in Aufregung. Jeder spricht über das Thema. Es wird größer. Es entsteht Unruhe, vielleicht Empörung. Die Neuigkeit schaukelt sich hoch. Sie wird größer und größer. Die Eindrücke, die Wahrnehmungen und die Schlussfolgerungen verbreiten sich, vergrößern sich. Es entsteht ein Sturm um diese Neuigkeit, der Alle mitreißt.
Und plötzlich: plötzlich endet der Sturm. Der Sturm hat ein paar Nachwehen. Letzte Ausläufe. Dann ebbt der Sturm ab. Und plötzlich tritt Ruhe ein. Es wächst Gras darüber. Die Neuigkeit ist nicht mehr so wichtig. Vielleicht gerät sie in Vergessenheit.
Je nach dem, wie groß der Sturm, die Neuigkeit war, kann sich alles manchmal bereits über Nacht beruhigen.
Die Ruhe
Jeder hat diesen Sturm schon erlebt. Er kommt bei politischen Neuigkeiten, Neuigkeiten in der Familie, im Freundeskreis, oder im Unternehmen, oder kann einen ganz anderen Ursprung haben. Er kann beispielsweise entstehen bei einem Konflikt, einem Streit, einem Problem, einem Bedürfnis und einer geäußerten Meinung.
Manchmal war der Sturm eher ein Gewitter, das nur mal die Luft reinigen musste. Und manchmal ist es gut, wenn dann Gras über die Sache wächst. Denn manchmal ist die Sache nicht so wichtig gewesen, wie sie im ersten Moment erschien, und hat sich nur aufgebauscht.
Manchmal braucht man Abstand von der Situation, um sie neu bewerten zu können. Manchmal ist es besser, wenn die Sache nicht größer wird, sondern sich wieder beruhigt. Und manchmal nutzen wir die Ruhe nach dem Sturm, um nicht mehr darüber sprechen zu müssen, was passiert ist. Warum sollte ich eine unangenehme Situation aufwärmen, wenn sie sich gerade beruhigt hat? Warum sollte ich mich mit den negativen Themen auseinander setzen, die hinter der Neuigkeit stehen? Warum sollte ich beispielsweise die Ursache der Kündigung meines besten Mitarbeiters erforschen, wenn nach dem Sturm der Aufruhr im Unternehmen endlich Ruhe eingekehrt ist?
Und manchmal dreht sich die Welt einfach so schnell weiter, dass neue Themen und Neuigkeiten entstehen, die ihrerseits einen Sturm auslösen. Was gestern war, ist plötzlich nicht mehr so wichtig. Es wird vergessen. Es wird weitergemacht. Ein neues Thema ist dran.
Das Beispiel
Mein persönlicher Sturm der vergangenen Wochen war das Urteil des EuGH zur Arbeitszeiterfassung. Am 14.05.2019 entstand eine Aufregung, eine Panik, ein Sturm. Annahmen, Behauptungen, Schlussfolgerungen verbreiteten sich. Meine ganze (es gab nur ein paar wenige Ausnahmen) Twitter Timeline verbreitete die Neuigkeit: “Zurück zur Stechuhr. Wir sind wieder bei Arbeiten 1.0. Das ist das Aus für New Work.”
Unternehmen haben ihre Arbeitsmodelle dahinschwimmen sehen; Mitarbeiter haben gedanklich von ihrer Flexibilität Abschied genommen. Jeder hat geschimpft und seiner Empörung Ausdruck verliehen.
Und dann, einen Tag später, als man eine Nacht darüber geschlafen hatte, war das Thema schon nicht mehr so groß. Es gab ein paar Nachwehen. Aber es ebbte ab. Jetzt, zwei Wochen später, scheint das ursprünglich so “unfassbare” Urteil des EuGH fast in Vergessenheit geraten zu sein.
Die Idee
Nun. Im konkreten Fall ist es gut, dass über Nacht Ruhe eingekehrt ist, falsche Erstannahmen nicht weiter verbreitet werden und die Panik endete. Äußerst schade wäre es aber, wenn nun Gras über die Sache wachsen würde. Denn wir haben mit der Empörung ein Thema eröffnet, das unglaublich wichtig und wegweisend ist. Wir haben ein Thema eröffnet, bei dem wir uns mit dem Jetzt auseinandersetzen und die Zukunft gestalten können: In welcher Arbeitswelt wollen wir leben? Was bedeutet Arbeit? Wie ist Arbeit messbar? Was ist Arbeitszeit?
Wenn wir die entstandene Diskussion nicht verebben lassen, erreichen wir Folgendes:
- Bewusstsein: Wenn wir uns weiter mit dem Thema Arbeitszeit beschäftigen, werden wir achtsam und setzen uns mit unseren eigenen Empfindungen und Bedürfnissen auseinander. Im Alltag neigen wir häufig dazu, einfach weiterzumachen und uns nicht selbst zu prüfen. Daher ist die Diskussion eine Chance uns selbst zu prüfen. Welche Verhaltensweisen haben sich eingeschlichen? Was brauche ich? Was ist gut für mich, für meine Arbeit, für meine Umwelt?
- Impulsgebung: Auch wenn der Eindruck in der Presse entstand, hat der EuGH die Unternehmen nicht verpflichtet, sämtliche Arbeitsstunden der Mitarbeiter zu erfassen. Er hat vielmehr einen Handlungsauftrag an den nationalen Gesetzgeber gerichtet. Der nationale Gesetzgeber muss diese Verpflichtung normieren und hat dabei einen – nicht zu unterschätzenden – Gestaltungsspielraum. So ist die Gestaltung der Modalitäten, Ausnahmen etc. in der Hand des nationalen Gesetzgebers. Und das bedeutet, wir können dem Gesetzgeber durch unsere Impulse eine Richtung geben. Und mehr noch: Wir können auch Impulse für weitere Änderungen im Arbeits(zeit)recht geben, die wir für nicht mehr zeitgemäß erachten. Denn nur wenn wir Impulse senden, wenn wir reden, können wir dem Gesetzgeber unsere Bedürfnisse vermitteln und eine Veränderung herbeiführen.
- Gestaltung: Ungeachtet der Frage, was der Gesetzgeber aus dem Urteil und den Impulsen macht oder nicht macht: Immer und jederzeit verbleibt ein Gestaltungsspielraum. Und diesen gilt es im Unternehmen, im Team und für jeden Einzelnen auszugestalten. Nachhaltig gestalten wir dann, wenn wir uns auseinandersetzen, uns hinterfragen, unsere Bedürfnisse ermitteln, darüber sprechen und Lösungen entwickeln.
- Kreativität: Wenn wir in die Zukunft schauen und uns unser Bild für die Zukunft malen, so werden wir kreativ sein. Wer gestaltet ist kreativ. Und Kreativität entsteht durch Austausch, durch gemeinsame Arbeit, durch das Anstecken in der Inspiration und durch Kommunikation.
Der Themen-Monat
Daher lade ich ein, den Monat Juni unter das Thema Arbeitszeit zu stellen. Ich lade ein, wirken zu lassen, zu reflektieren, zu entwickeln, zu sprechen, kreativ zu werden. Ich lade dazu ein, dass wir uns einen Monat mit dem Thema Arbeitszeit beschäftigen um durch das Gespräch mit uns selbst, mit Freunden, der Familie, im Team und im Unternehmen unsere Bedürfnisse zu erforschen, die Zukunft zu gestalten und kreative Ideen zu entwickeln.
Im Monat Juni wird es hier auf dem Blog jede Woche einen Beitrag rund um das Thema Arbeitszeit geben. Auf Twitter und auf Facebook werde ich jeden Tag unter dem Hashtag #newworktime eine Frage oder Aussage rund um das Thema Arbeitszeit teilen, die zum Denken, Reflektieren, Diskutieren und Gestalten anregt. Ich freue mich über jeden, der für sich, in der Familie, unter Freunden, im Unternehmen oder auf Twitter und Facebook die Gedanken, Inspirationen und Diskussionen aufgreift und mitmacht. Gerne können Sie Gedanken, Inspirationen und Fragen auch direkt per Mail an mich richten.
Noch kann ich nicht vorhersehen, was aus den Inspirationen entstehen wird. Aber sicher ist, dass aus der Macht der gemeinsamen Kreativität etwas entsteht und Sie werden hier auf dem Blog, auf Twitter und Facebook teilhaben.
Der Impuls
Hier, auf Twitter und Facebook werden wir also aus dem “Sturm” nach der Neuigkeit des EuGH zur Arbeitszeiterfassung das Thema Arbeitszeit aufnehmen und nicht ruhen lassen. Wir werden uns aktiv einen Monat lang damit beschäftigen: Bewusstmachen, Impulse geben, gestalten und kreativ sein. Bei anderen Stürmen sind wir in der Tat manchmal sehr froh darum, wenn sie vorbei sind. Aber manchmal lohnt es sich, die Ruhe nicht zu nehmen, sondern hinzuschauen und das Thema hinter dem Sturm aufzugreifen und gemeinsam daran zu arbeiten.
Kathrin Hartmann
Rechtsanwältin / Culture your System